Elfriede-Mejchar-Preis für Fotografie | 2024

Eröffnung: Samstag, 15. Juni 2024, 18 Uhr
Zur Eröffnung spricht Alexandra Schantl (Landessammlungen Niederösterreich)

Ausstellungsdauer: 16. Juni – 21. Juli 2024 Öffnungszeiten: Sa, So 14 – 18 Uhr

Finissage: Sonntag, 21. Juli 2024, 16 Uhr
Künstler:innengespräch mit Ruth Horak (Autorin, Kuratorin und Lehrbeauftragte für zeitgenössische Kunst und Fotografie)

FLUSS zeigt eine Ausstellung mit Arbeiten der Preisträgerin Lisa Rastl, sowie einige ausgewählte Arbeiten von Lea Blagojević, Zoe Ebner und Niklas Putz, drei Absolvent:innen der HTBLVA Graz-Ortweinschule, die von der Jury mit einer lobenden Erwähnung bedacht wurden.

Elfriede Mejchar zählt zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der österreichischen Fotografie. Bis ins hohe Alter bewahrte sie sich ihre Neugier, ihren Forscherdrang und ihre unbändige kreative Lust auf Neues, Ungesehenes, der sie stets an die Ränder führte: der Städte, der Zivilisation, des menschlich Erfahrbaren. Stets war sie in Kontakt mit anderen Künstler:innen, vor allem auch der jüngeren Generation. Als das langjährige FLUSS-Mitglied 2020 im 97. Lebensjahr verstarb, hinterließ sie eine Lücke, die schwer zu füllen ist. Deshalb haben sich zur Erinnerung an das außergewöhnliche fotografische Schaffen von Elfriede Mejchar ihre Erben entschlossen, den Elfriede‐Mejchar‐Preis für Fotografie ins Leben zu rufen, mit dem Ziel, Kunst und Kultur und insbesondere die Fotografie zu fördern und durch die Auseinandersetzung mit dem fotografischen Schaffen von Elfriede Mejchar ihr Werk lebendig und in Erinnerung zu halten.

Der mit € 7.000 dotierte Preis wird im Zwei‐Jahres-Rhythmus ausgeschrieben und ist mit einer Ausstellung von Arbeiten der Preisträger:in im Schloss Wolkersdorf im Weinviertel verbunden. Bewerben können sich Fotograf:innen in deren fotografischen Arbeiten es – im Sinne des Werks von Elfriede Mejchar – um das medienspezifisch Eigentliche der Fotografie geht.

Der 1. Elfriede-Mejchar-Preis für Fotografie 2024 wurde der in Niederösterreich geborenen, in Wien und im Burgenland arbeitenden und lebenden Fotografin und Künstlerin Lisa Rastl zuerkannt. Die Jury begründete ihre Entscheidung folgendermaßen:

„Der erste Elfriede-Mejchar-Preis geht an eine Künstlerin, deren fotografische Biografie deutliche Parallelen zur Patronin des Preises aufweist. Beide fotografierten im Auftrag öffentlicher Institutionen, ihr Hauptaugenmerk lag dabei auf der wirksamen Reproduktion von vielgestaltigen Kunstgegenständen – was technisches Fachwissen und einen geschulten Blick voraussetzte – und für beide war die Berufsfotografie ein wichtiger Impulsgeber für eine freie künstlerische Praxis. Lisa Rastl verschärft diesen Zusammenhang, indem sie die ‚kunstreproduzierende‘ Situation reflektiert und zum Thema ihrer freien Arbeiten macht: die Monotonie der Tätigkeit, die Qualitätsverluste, die Herausforderung, einem plastischen Werk mit der Fotografie gerecht zu werden, oder die Definition von AutorInnenschaft, Urheberrecht und Schöpfungsgrad. Vor dem Hintergrund dieser Fragestellungen hat Lisa Rastl begonnen, den Akt des Reproduzierens performativ zu verstehen. Die Ergebnisse sind etwa Settings, in welchen sie das Re-produzieren
als rhythmische Handlung vorführt und sachlich kommentiert, ein Video, das sie als Reproduktionsfotografin zeigt, sowie fotografische Serien, in welchen sie das Reproduzieren demonstrativ ausstellt und damit das Regelwerk der Objektfotografie sachlich vorführt und zugleich humorvoll dekonstruiert. Ihre Ausbildung an der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchanstalt zur gewerblichen Fotografin mit Meisterprüfung, sowie ihre beiden Studien bei Friedl Kubelka und Heimo Zobernig bilden die Basis für die Verschränkung von angewandter und künstlerischer Fotografie. Oder, wie Elfriede Mejchar in einem Interview 2008 meinte: ‚Ich habe mich immer für Technik und Kunst bzw. eine Verbindung dieser beiden Bereiche interessiert.‘“

Zur Überraschung der Jury fanden sich unter den 184 Einreichungen für den Elfriede‐Mejchar‐Preis neun Einreichungen von Fotografinnen und Fotografen unter 26 Jahren, mehrheitlich von Studierenden und AbsolventInnen der HTBLVA ORTWEINSCHULE GRAZ, einer berufsbildenden höheren Schule mit einer Abteilung für Kunst & Design. Beeindruckt von der Qualität dieser Einreichungen hat sich die Jury – ganz im Geist von Elfriede Mejchar, die auch das Schaffen viel jüngerer Kolleginnen und Kollegen immer mit großem Interesse verfolgt hat – spontan dazu entschlossen, drei der jungen Talente mit lobenden Erwähnungen vor den Vorhang zu bitten! Lea Blagojevic
(*1999), Zoe Ebner (*2004) und Niklas Putz (*1997) sind daher eingeladen, eine Auswahl ihrer Werke gemeinsam mit den Arbeiten der Preisträgerin Lisa Rastl zu zeigen.

Die Ausstellung im Schloss Wolkersdorf zeigt in vier Räumen vier thematisch gegliederte Werkkomplexe von Lisa Rastl, in die die Arbeiten ihrer jüngeren Kolleg:innen eingeschoben sind. Ebenfalls als Impulsgeber und Referenzpunkt präsent sind kleinformatige Fotografien von Elfriede Mejchar, die mit den Arbeiten der Preisträger:innen in Dialog treten.

Ausstellungsansichten, Foto: Michael Michlmayr

Salon: Lisa Rastl, Failing the Original

Lisa Rastl, Failing the Original

diverse Medien (2013/2014/2023/2024)

Failing the Original ist ein künstlerischer Ansatz, mit dem die Fotografin 2013 anlässlich ihres Rom-Stipendiums begonnen hat und welcher sie noch über Jahre weiter beschäftigen wird. Ausgehend von Skulpturen der antiken Hochklassik, deren Marmorkopien sie beim Besuch römischer Museen besichtigte, untersucht sie das Verhältnis von Original und Kopie, die Transformation von dreidimensionalen Objekten in das zweidimensionale Medium Fotografie und die Transformation des objekthaft Gesehenen in ein sehendes Bild. Lisa Rastl sucht nicht die Aura des Originals darzustellen, sondern erforscht die Stereotype einer endlosen Reihe von Reproduktionen und deren soziale Implikationen. Über die Technik des Gipsabgusses stieß sie auf die Methodik des rassistischen Pseudowissenschaftlers Hans Lichtenecker, der 1931 im ehemaligen (Deutsch-) Südwestafrika an einem „Archiv aussterbender Rassen“ gearbeitet und dabei jene Technik an Afrikaner:innen angewandt hat. Wenn sie also in Namibia mit Student:innen die Posen der antiken europäischen Klassik nachstellt, wird deren koloniale Deutungshoheit ersichtlich. Nun sind die Besucher:innen zur weiteren spielerischen Dekonstruktion eingeladen: indem sie sich selbst vor der überdimensionalen Farbkarte in Pose setzen, Selfie inbegriffen…

Galerie, Raum 1: Lisa Rastl, Homage to a (…) square, after Josef Albers

Lisa Rastl, Hommage. Foto: Michael Michlmayr

Galerie, Raum 1: Lisa Rastl, Homage to a (…) square, after Josef Albers

diverse Medien (2021/2022/2023)
Die fotografische Reproduktion unterliegt einem engen technischen Korsett, sie hat den Auftrag eine Vorlage so originalgetreu wie möglich abzubilden. In Homage to a (…) square, after Josef Albers, geht Lisa Rastl der Frage nach, ab welchem Moment das Abbild selbst zum Bild wird, ab der wievielten Aufnahme sich die Reproduktion weit genug vom Original entfernt, bis sich ein neues Original mit der eigenen Urheberinnenschaft konstituiert. Das fotografische Werk thematisiert den Verlust von Qualität hin zu einem Qualitätsgewinn auf einer weiteren Ebene.

„Wenn die Reproduktion der Reproduktion so lange wiederholt wird, bis das eigentliche Motiv hinter dem der Reproduktion verschwindet, wird aus ‚Josef Albers‘ ‚Lisa Rastl‘, der Künstler wird zur Künstlerin und das Original verliert sich in der Tiefe mit Hilfe einer digitalen Kamera in Kombination der Reproduktionen.“ Ruth Horak

Galerie, Raum 1: Niklas Putz, In Plain Sight

Niklas Putz, In Plain sight. Foto: Michael Michlmayr

Niklas Putz, In Plain Sight (2022)

In Plain Sight umkreist das Alltägliche, das Menschengemachte und die Möglichkeiten der digitalen Fotografie. In den Bildern wird eine neue fotografische Realität erschaffen, die sich von der Wirklichkeit distanziert und die Betrachter:innen an den Bildern zweifeln lässt. Technisch werden die Bilder mit Hilfe einer digitalen Kamera in Kombination mit einer Fachkamera umgesetzt.der Reproduktionen.“ Ruth Horak

Galerie, Raum 2: Lisa Rastl, Museum im Zustand

Galerie, Raum 2: Lisa Rastl, Museum im Zustand

diverse Medien (2000 – 2010)

Ab 2000 verdiente sich Lisa Rastl ihren Lebensunterhalt als Leiterin der Fotoabteilung des mumok (Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien). Ihr Hauptauftrag waren Reproduktionen und Objektfotografien von Kunstwerken und Ausstellungsdokumentationen. Gefühle wie Langeweile beim Abarbeiten eines großen Konvolutes an Reproduktionen oder auch die Frustration nicht ‚schöpferisch‘ zu arbeiten, wurden für die Künstlerin zum elementaren Impulsgeber sich reflexiv und kritisch mit ihrem Tun und mit der Fotografie als Reproduktionsmedium auseinander zu setzen. Der ‚Brotjob‘ und die Produktion ihrer eigenen künstlerischen Arbeit wuchsen immer mehr zusammen und ihr reflexiver Zugang zur Fotografie wurde in der formalen Umsetzung immer deutlicher und konsequenter. Die Arbeiten des Konvoluts Musem im Zustand zeigen diese Transformation deutlich: in der alltäglichen Auseinandersetzung mit der Knochenarbeit von Museumsbediensteten werden Beschriftungen auf Transportkisten und Verpackungsmaterialien zu Künstlersignaturen, Aufbauarbeiten zu Performances und Lagerräume zu Installationen. Den letzen konsequenten Schritt – sich selbst als künstlerisch schaffendes Subjekt darzustellen – schafft sie, indem sie sich im Video Zen for Doing von 2009 mit markantem rotem Gewand gleichwertig mit den zu reproduzierenden Fotografien ins Bild bringt.

Galerie, Raum 2: Zoe Ebner, Stillstand

Zoe Ebner, Stillstand. Foto: Michael Michlmayr

Zoe Ebner, Stillstand (2022/2023)

Zoe Ebners Diplomarbeit Stillstand setzt sich mit der Archivierung der Gegenwart mittels Fotografie auseinander. Durch die bewusste Beobachtung ihrer Umgebung und ihrem eigenen Blick auf diese, lässt sie uns an ihrer Wahrnehmung teilhaben und zeigt Aufnahmen von Menschen, Gegenständen und Details, die im Alltag oft übersehen werden.

Galerie, Raum 3: Lisa Rastl, For example: a (red) Ball

Lisa Rastl, For Examlpe. Foto: Michael Michlmayr

Lisa Rastl, For example: a (red) Ball (2024)

C-Prints, je 25x30cm, auf Archivkarton, Siebdruckedition, Auflage 10, je 25x30cm

Mit For example: a (red) Ball begeben wir uns direkt in die künstlerische Werkstatt von Lisa Rastl: in einen work in progress. Im Mittelpunkt ihrer jüngsten Fotoserien steht das fotografische Abbilden von Objekten, das Erfassen der Haupt- und Nebenansicht, eines Details und die Signatur. Ist das zu fotografierende Objekt ein gleichmäßig gerundeter Ball „werden manche Aufgaben obsolet“, so Lisa Rastl. Im Grunde ist es unmöglich, einen so regelmäßig geformten geometrischen Körper abbildungstechnisch zu variieren (man denke an das berühmte Beispiel der fotografischen Aufgabe, ein weißes Ei auf weißem Teller auf weißem Tischtuch abzubilden). Lisa Rastl schafft es, indem sie nicht das Objekt (also das Abzubildende) hinterfragt, sondern die fotografischen Verfahren (die Abbildungstechniken) und somit mit Vilém Flusser auf den apparativen Charakter der Fotografie hinweist. Das schließt den Kreis zu Elfriede Mejchar, in deren Sinne es immer um das medienspezifisch Eigentliche der Fotografie gegangen ist.

Galerie, Raum 3: Lea Blagojević, Ni na nebu ni na zemlji

Lea Blagojević, Ni na nebu ni na zemlji. Foto: Michael Michlmayr

Lea Blagojević, Ni na nebu ni na zemlji (2023)

In ihrer Diplomarbeit Ni na nebu ni na zemlji befasst sich Lea Blagojević mit ihrer kroatischen Herkunft und dem Thema Identität. Der Titel ist inspiriert von der gleichnamigen Erzählung, die von einem Schloss handelt, das, anstatt auf festem Boden zu stehen, auf einer Wolke schwebt. Im Kroatischen wird diese Redewendung angewandt, um eine Person oder Sache zu beschreiben, die nicht hier und nicht dort ist.