Die Lust an der (De)Konstruktion

Eröffnung: 2. März 2024, 18 Uhr
zur Ausstellung spricht Mag. Maria Christine Holter, freie Kuratorin

Ausstellungsdauer: 3. März – 1. April 2024

Kuratiert von Brigitte Konyen und Michael Michlmayr

Carla Degenhardt, Brigitte Konyen, Michael Michlmayr, Klaus Pamminger, Simona Reisch

Obwohl die Technik der Collage bzw. Assemblage und Montage vor fast einhundert Jahren entwickelt wurde, ist sie gerade heute, in unserer aufgewühlten Zeit mit ihrer unüberschaubaren Fülle an visuellen und ideologischen Reizen, ein künstlerisches Ausdrucksmittel zur Verdichtung von Wirklichkeiten.
Mittels vielfältiger Methoden und Verfahrensweisen wird von den Künstler*innen ein neues Ganzes geschaffen, welches durch Selektion, Destruktion, Rekonstruktion und Abstraktion in scheinbar reale Bildräume geformt wird und eine zutiefst individuelle Ausdrucksform ermöglicht.

Ausstellungsansichten: Fotos Michael Michlmayr

Ausstellungsansicht

Was wir aus der französischen Philosophie, dem sog. „linguistic turn“ der 1960er Jahre und der damit verbundenen Textkritik kennen, lässt sich seit nun ebenfalls geraumer Zeit auf Vorgangsweisen in den bildenden Künsten dem „iconic turn“ übertragen: die Methode der Dekonstruktion als das kritische Hinterfragen und Auflösen einer Bildwirklichkeit im weiteren Sinn, sowohl in der Kunstproduktion als auch in der Rezeption der Werke. (…)

Fotografie ist ja seit jeher eine Konstruktion von Wirklichkeit, auch wenn sie uns etwas anderes vorzugaukeln scheint. Schon durch die Auswahl des Sujets, des Ausschnitts, des zeitlichen Augenblicks in dem die Aufnahme entsteht, wird inszeniert und in die Realität eingegriffen. Analoge und vermehrt nun digitale fotografische Techniken vermögen nahezu unmerklich neue Realitäten zu erzeugen, was heute und künftig von KI-generierten Bildern noch getoppt wird. (…)

Vielleicht auch um dieser Entwicklung mit physischer Präsenz und Materialität entgegenzuwirken, haben die Kurator*innen hier Positionen versammelt, denen es nicht um das Abbildhafte oder Erzählerische in der Fotografie oder des Films geht, sondern um die Verfremdung derselben, um Abstraktion und Rekonstruktion – alles Formen der Befragung, die unseren Blick vermutlich klarer auf komplexe Inhalte und Bezüge zum Weltgeschehen zu lenken vermögen, als ungebrochene Oberflächen und schöner Schein.

Maria Christine Holter, Zitate aus der Einführungsrede zur Ausstellung

Ausstellungsansicht

Carla Degenhardt

* in Buenos Aires (AR), lebt und arbeitet in Wien und Buenos Aires.

Carla Degenhardt arbeitet installativ und medienübergreifend mit Video, Fotografie, Collage, Stickerei/Textilobjekten und zweisprachigen (spanisch-deutsch) Textcollagen.
Als eine in Argentinien geborene Tochter von Emigranten, die nach Österreich re-emigrierte, ist Carla Degenhardt sowohl in Argentinien als auch in Österreich fremde Einheimische. Diese Verfasstheit untersucht sie mit künstlerischen Mitteln, auf der Suche nach der Sicht auf das Leben und auf die Dinge wie im Einmachglas: In ihm liegt der konservierte fremde Blick.

Dieses Konzept der Selbsterforschung von Migration und Zerrissenheit setzt sie fort, fokussiert auf das Thema des Körpers als Heimat.

Die Verbindung zweier Welten als Fährte findet seinen Ort und seine Zeit in der Supraposition von Heimat und Wahlheimat. Der Versuch des Aufspürens ist eine Reise zum wirklich inneren Ort, geleitet von einem Körper, der nie weiß, wo er wirklich zuhause ist, im Sprachspagat eines textuellen Doppelstroms.

Carla Degenhardt: Auflegung 2019

Carla Degenhardt: Auflegung, 2019

Carla Degenhardt: Maraña, 2024 (Ausschnitt)

Carla Degenhardt: Maraña, 2024 (Ausschnitt)

Brigitte Konyen

* in Gmunden (AT), lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin und Kuratorin in Wien.

Für Brigitte Konyen sind Fotografien grundsätzlich nie Endresultat, sondern immer Ausgangspunkt für neue Bildkonstruktionen, wie beispielsweise in ihren Fotoflechtbildern oder in ihren Montagen aus klein gerissenen Fotografien. Durch das Zerschneiden bzw. Zerstückeln wird eine Zerstörung des Ausgangsmaterials betrieben – ein destruktiver Akt, der ein Misstrauen gegenüber dem sogenannten realitätsgetreuen fotografischen Abbild beinhaltet. Die Verweigerung eindeutiger Lesbarkeit der neu geschaffenen, künstlichen Konstrukte eröffnet gleichzeitig neue Bezüge und Erzählungen und führt die Mehrschichtigkeit von Realität vor Augen.

Brigitte Konyen: Torn en passant #1, #4, #6

Brigitte Konyen: Torn en passant #1, #4, #6

Brigitte Konyen: Serie Moods, 2022-24

Brigitte Konyen: Serie Moods, 2022-24

Michael Michlmayr

* 1965 in Wien (AT), lebt und arbeitet in Wien.

Die Auseinandersetzung mit Realitätsstrukturen sowie mit dem Wahrheitsgehalt fotografischer Bilder führt Michael Michlmayr zu Arbeiten, mit denen er die Basiskategorien von Wahrnehmung – ‚Zeit‘ und ‚Raum‘ – neu zur Disposition stellt.

Sie wirken auf den ersten Blick wie geschickte Schnappschüsse – erst wer sich beim Betrachten der dargestellten Räume Zeit nimmt, beginnt wahrzunehmen, dass hier ein konstruktivistisches Spiel mit der Wirklichkeit getrieben wird. Er komponiert seine bewegten Bilder aus mehreren nebeneinanderlaufenden, synchron- und oder desynchronisierten Foto- bzw. Filmsequenzen. Die Motive sind bewusst gewählt; sie nehmen Bezug auf aktuelle gesellschaftliche Probleme und geben ganz subtil auch politische Verweise.

Michael Michlmayr: Bus Stop#2, 2018 | Public Passage #5, 2023

Michael Michlmayr: Bus Stop#2, 2018 | Public Passage #5, 2023

Michael Michlmayr: Escalators VII | Escalators III, 2019

Michael Michlmayr: Escalators VII | Escalators III, 2019

Klaus Pamminger

* 1967 in Bad Ischl (AT), lebt und arbeitet in Wien.

Seine künstlerische Praxis umfasst Fotografie, Film und Skulptur in unterschiedlichen Medien, die oft in skulpturalen Installationen zusammenlaufen.
Die Arbeiten der Serie Reins sind aus schmalen Lederstreifen gefertigt und zeichnen sich durch Biegsamkeit und eine auf das Nötigste reduzierte Formensprache aus. Für die Umwandlung architektonischer Räume in organisches Material dienen Pamminger unter anderem Filmszenen als Vorlage, wie z.B. aus Alfred Hitchcocks Vertigo.

Klaus Pamminger: THROWING VERTIGO | COB WEB | Untitled (VERTIGOTIC), 2023

Klaus Pamminger: THROWING VERTIGO | COB WEB | Untitled (VERTIGOTIC), 2023

Klaus Pamminger: VERTIGOTIC, 2022/2023 | Throwing VERTIGOTIC, Dokumentationsvideo 3min

Klaus Pamminger:  VERTIGOTIC, 2022/2023 | Throwing VERTIGOTIC, Dokumentationsvideo 3min

Simona Reisch

* 1985, lebt und arbeitet in Wien.

Simona Reisch verbindet fotografische Arbeiten mit anderen Medien wie Skulptur oder Installation. Weitere Drucktechniken und Materialien – u.a. Holz, Eisen, Glas – bringen Ausschnitte von fotografierter Architektur in skulpturale und haptische Bereiche. Architektur ist ein zentrales Thema ihrer Arbeiten.
Im Werkblock arch werden ausgewählte Orte, wie verfallene Hotels oder Kreisverkehre, untersucht, architektonische Details herausgearbeitet, verfremdet, betont und die ursprünglichen Fotografien in den Raum übersetzt und darin eingebettet.

Simona Reisch: arch_StorageBurned#1_AT, 2023

Simona Reisch: arch_StorageBurned#1_AT, 2023

Simona Reisch: arch_Streamline#2_PT, 2022

Simona Reisch: arch_Streamline#2_PT, 2022